Auerochsen (Urrinder)
Der Ur oder Auerochse (Bos primigenius) gilt als die Wildform unserer heutigen Hausrinder. Die ursprünglichen Landschaften des Eiszeitalters boten über Jahrhunderttausende einen idealen Lebensraum für diese mächtigen Wildrinder. Auerochsen erreichten eine Schulterhöhe von 180cm und ein Gewicht bis zu 1.000kg. Sie lebten bevorzugt in Flussauen und halboffenen Waldlandschaften. Stiere waren glänzend schwarz gefärbt, Kühe etwas heller rot- oder schwarzbraun. Urstiere wurden deutlich größer (sog. Geschlechts-Dimorphismus), weshalb man die weiblichen Tiere früher als eigene Art ansah - erst 1927 wurde dieser Irrtum entdeckt. Bei beiden Geschlechtern zog sich ein ockerfarbener "Aalstrich" am Rückgrat entlang. Die imposanten Hörner waren weiß mit schwarzer Spitze, bogen sich in elegantem Schwung zuerst nach vorne und dann nach oben. |
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Der Mensch spielte in dieser Umwelt eine Nebenrolle: mehr als 99 Prozent seiner Evolutionsgeschichte lebte er als Jäger und Sammler. Erst vor etwa 30.000 Jahren, gegen Ende der letzten Eiszeit - als ein weiterer Entwicklungsschritt die Werkzeugherstellung revolutionierte - verschob sich dieses Kräfteverhältnis zugunsten des Homo sapiens. | |||||
Archäologische Grabungsfunde vermitteln uns heute eine Vorstellung längst vergangener Zeiten, als Urmenschen und Urrinder noch gegeneinander um ihr Überleben kämpften. Mit Steinspeeren und Holzlanzen stand man Auge und Auge mit dem schnaubenden Ungetüm, in Fallgruben versuchte man es zu überlisten um an den großen Brocken Fleisch zu gelangen. Vernarbungen und Frakturen gefundener Menschenknochen stellen die Wehrhaftigkeit des urigen Wildrindes unter Beweis. | |||||
Aufgrund seiner Kraft und Stärke wurde das Urrind als edle Jagdbeute und kultische Symbolfigur verehrt. Bis ins späte Mittelalter wurde der Auerochse intensiv verfolgt. Er diente als wertvolles Geschenk für Könige und Herrscher in ganz Europa ... tot oder lebendig ! Urrind-Schädel, Bleistiftzeichnung 1995 |
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Karl der Große jagte ihn noch in den Vogesen. Hartmann von Aue besang die Urrinder in seiner Minnelyrik: sie "nahten mit Grimme, mit greulicher Stimme". Die Bevölkerungszunahme und die Rodung weiter Waldflächen für die Landwirtschaft zerstörten jedoch zunehmend den Lebensraum der Auerochsen. Die Bestände wurden immer kleiner und verschwanden mehr und mehr aus dicht besiedelten Gegenden. Am längsten überlebten die Ure in den entlegenen osteuropäischen Waldgebieten des heutigen Polen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden die letzten Urrinder im Wald von "Jaktorow" unter den besonderen Schutz des Landesherrn gestellt. Man hegte sie in einem weitläufigen Wildgatter, liess sie von Wildhütern betreuen und im Winter sogar mit Heu füttern. Doch trotz aller Bemühungen war diese erstaunlich modern anmutende Artenschutzmaßnahme nicht erfolgreich: 1564 waren immerhin noch 38 Tiere vorhanden, 1599 dann 24 und 1602 - nach mehreren strengen Wintern - nur mehr vier. 1620 war eine einzige Ur-Kuh übrig geblieben, die im Jahr 1627 im Alter von 30 Jahren durch einen Wilddieb starb. Damit war der Auerochse endgültig ausgestorben. |
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Heute erinnert nur mehr ein Gedenkstein an die ehemalige Existenz des Urrindes. Auf dem großen Findling steht geschrieben: "TUR (=polnischer Name für den Auerochsen) Bos primigenius Bojanus, lebte im Urwaldreservat von Jaktorow bis zum Jahr 1627." |
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Zitat aus Julius Caesar's "De bello Gallico" Zur Abbildung ganz oben: * Das Augsburger Urbild ist die besterhaltene zeitgenössische Darstellung des Auerochsen. Es wurde von einem unbekannten Künstler des 17. Jahrhunderts auf Holz gemalt. Ein englischer Zoologe entdeckte das Bild lange später in einem Augsburger Antiquitätenladen und veröffentlichte es 1827 - genau 200 Jahre nach dem Tod des letzten Urs - in einer sw-Lithographie. |
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